Die Ausbreitung des COVID-19-Virus in Italien stellt auch die Unternehmen vor erhebliche Schwierigkeiten, wobei es für sie in dieser Situation sogar unmöglich werden kann, bestimmten vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.
Die nachträgliche Unmöglichkeit der Vertragserfüllung aufgrund höherer Gewalt in Bezug auf die Notfallmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19
Sofern die Vertragsparteien in der konkreten Vereinbarung keine besonderen Bestimmungen für Ereignisse vorgesehen haben, die eine höhe Gewalt (sog. vis maior) darstellen, ist auf das auf den Vertag anwendbare Gesetzesrecht abzustellen.
Die vertragliche Nichterfüllung im italienischen Zivilgesetzbuch
Nach der italienischen Rechtsordnung sind hierzu die Bestimmungen über die vertragliche Nichterfüllung heranzuziehen, wobei nach Maßgabe des Art. 1256 des italienischen Zivilgesetzbuches (itZGB) die Verbindlichkeit erlischt, wenn die Leistung aus einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Grund unmöglich wird. Sofern die Unmöglichkeit lediglich vorübergehend ist, haftet der Schuldner, solange sie besteht, freilich nicht für die verspätete Erfüllung.
Dabei hat der Schuldner im Sinne des Art. 1176 itZGB jedenfalls die allgemeine Sorgfaltspflicht anzuwenden und entsprechend die Interessen des Gläubigers zu schützen, es sei denn, dies ist mit einem unverhältnismäßigen und nicht zu rechtfertigenden Nachteil für den Schuldner verbunden.
Als ein vom Schuldner nicht zu vertretender Grund ist jenes Ereignis zu verstehen, das außerhalb seines (rechtlichen) Gestaltungsbereichs liegt, unvermeidbar ist und daher die materielle Erbringung der Leistung verhindert. Der Schuldner wird in der Folge von jeder Haftung in Bezug auf die Nichterfüllung oder – sofern die Leistungserbringung nur vorübergehend unmöglich ist – die Verspätung befreit.
Unmöglichkeit der Erfüllung durch gesetzgeberische oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen
Auch gesetzgeberische oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen (sog. „facta principis“), die im allgemeinen Interesse erlassen werden, können die Vertragserfüllung – unabhängig vom Verhalten des Schuldners – unmöglich machen. Damit handelt sich auch hierbei um Umstände, die unabhängig von den zugrundeliegenden Vertragsbestimmungen die Haftung des Schuldners ausschließen.
In diesem Sinne kann die Notstandgesetzgebung im Zusammenhang mit COVID-19 ein factum principis und damit höhere Gewalt darstellen, die geeignet ist, die Nichterfüllung oder die Verspätung der Leistung im Sinne von Art. 1256 ZGB haftungsfrei zu stellen.
Es muss jedoch betont werden, dass die genannte höhere Gewalt nur in Bezug auf gewisse Verpflichtungen gilt, die mit den bestimmten, in den Gesetzesdekreten vom 08.03.2020 und vom 11.03.2020 berücksichtigten Tätigkeiten verbunden sind.
Beispielhaft dafür sind Verpflichtungen der Einzelhandelsgeschäfte zu nennen, nicht aber die Verpflichtungen von Lebensmittelherstellern und -lieferanten, für die noch keine Verbote, sondern lediglich „Gebote“ im Bereich der Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des COVID-19 gelten.
Kaufverträge im Bereich des internationalen Handels
Schließlich ist hervorzuheben, dass für Kaufverträge im Bereich des internationalen Handels im Ergebnis ähnliche Regelungen gelten, wobei insbesondere Art. 79 des Wiener Übereinkommens über den internationalen Warenkauf von 1980 (CISG) einschlägig ist. Die genannten Bestimmungen definieren die Nichterfüllung aufgrund höherer Gewalt als eine vom Schuldner nicht zu vertretende Vertragsverletzung, die aus einem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht rational vorhersehbaren Grund eingetreten ist, wobei der Gläubiger freilich unverzüglich darüber zu informieren ist.
RA Dr. Christoph Perathoner, LL.M.
19. März 2020