Die Europäische Union basiert auf der Idee eines Raums ohne Binnengrenzen, mit freiem Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital.
Und doch beginnen einige Mitgliedstaaten, diese Freiheiten teils einzuschränken. Das ist beispielsweise in Österreich der Fall, um den – zugegeben! – massiven Transitverkehr auf der Brennerachse, insbesondere auf der Inntalautobahn, zu reduzieren. Maßnahmen dafür sind u.a. sektorale Fahrverbote, erweiterte Nachtfahrverbote und Lkw-Kontingentierung bzw. Blockabfertigung an den österreichischen Grenzen.
Lkw-Kontingente („Blockabfertigung“) als Stein des Anstoßes: Vertragsverletzungsverfahren?
Vor allem die Lkw-Kontingente stoßen auf Widerstand und führen zu unionsrechtlichen Zweifeln: Um Staus an Tagen mit zu erwartenden Verkehrsspitzen zu vermeiden, wird die Anzahl der Lkw, die zur Auffahrt auf die Autobahn zugelassen werden, auf der Grundlage eines vorher festgelegten Kalenders, begrenzt.
Das führt nicht nur bei Spediteuren und Kunden zu Unmut. Dieses „Blockabfertigungssystem“ hat zu erheblichen Irritationen zwischen Italien bzw. Deutschland auf der einen und Österreich auf der anderen Seite geführt. Sowohl die deutsche als auch die italienische Regierung haben bereits erwogen, ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Österreich einzuleiten.
Könnte ein Vertragsverletzungsverfahren erfolgreich sein?
Zu diesem Thema habe ich im Frühjahr 2024 zusammen mit Hannes Hofmeister einen Beitrag unter dem Titel „Il contingentamento: riflessioni di diritto dell’Unione Europea“ in der Fachzeitschrift „Diritto dei Trasporti (Heft Nr. 1/2024) veröffentlicht.
Der Beitrag in italienischer Sprache ist unter diesem Link abrufbar https://www.dirittodeitrasporti.it/app/uploads/2024/06/III.-Hofmeister-Perathoner.pdf
Tatsächlich gibt es überzeugende Argumente dafür, dass der von Österreich eingeschlagene Weg der Kontingentierung und Blockabfertigung nicht notwendig ist. Dass diese Maßnahmen rechtswidrig im Sinne des Unionsrechts sind, ist also durchaus vorstellbar – dass ein Vertragsverletzungsverfahren erfolgreich sein könnte, ebenfalls.
Denn es könnte durchaus mildere Mittel geben, um das Ziel die Verkehrssicherheit und Umweltschonung zu erreichen. Und selbst wenn jede der untersuchten Maßnahmen für sich genommen kein milderes Mittel ist, können diese Maßnahmen in Kombination ein milderes Mittel sein.
Engere politische Zusammenarbeit?
Selbst wenn man davon ausgeht, dass es keine weniger einschneidenden Instrumente für den freien Warenverkehr gibt, wären Quotenbeschränkungen für den Lkw-Transit letztlich weder angemessen noch verhältnismäßig.
Eine andere Lösung: eine engere politische Zusammenarbeit aller betroffenen Länder!